Ukraine
Evangelisches Dekanat Vogelsberg bittet um Unterstützung für Geflüchtete
Traudi Schlitt16.03.2022 ts Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
In die dritte Woche geht er nun, der Krieg Russlands gegen die Ukraine. 2,5 Millionen Menschen sind seit Beginn der russischen Angriffe von dort geflohen; etwa 125 000 Menschen sind bisher nach Deutschland gekommen. Spätestens mit der Errichtung der Notunterkunft in der Hessenhalle ist das Thema Krieg in Europa von den Nachrichten im Fernsehen, den Zeitungen oder dem Internet in den Alltag der Menschen auch im Vogelsberg gerückt.
Während in diesen Tagen nun die verantwortlichen Stellen aus den kommunalen Bereichen sich mit Vertretern von Hilfsorganisationen wie Caritas und Diakonie beraten, was man hier vor Ort tun kann, ist das Evangelische Dekanat Vogelsberg bereits tätig geworden, um Geflüchteten zu helfen, die es gerade über eine der ukrainischen Außengrenzen geschafft haben. Sie stranden in Moldau, Rumänien, Polen, Ungarn oder der Slowakei. „Zusätzlich zu den Hilfsangeboten der Aktionsbündnisse, die zu Geldspenden aufrufen, wollten wir eine gezielte Aktion unterstützen“, so Ralf Müller, Fachreferent für Bildung und Ökumene im Dekanat. Über verschiedene Kontakte kam er zu einem Austausch mit der Rumänisch-Orthodoxen Kirche Suacara und Radautilor. Das zu ihr gehörige Kloster nimmt seit Beginn des Krieges Geflüchtete aus der südlichen Ukraine auf und unterstützt diese Kriegsregion mit Hilfsgütern. Die nächstgrößere Stadt in der Ukraine ist Czernowitz.
Vor wenigen Tagen informierte Kirchenrat Filaret Ruscan von der Diözese Suacara und Radautitor in einem Videogespräch über die Lage vor Ort und darüber, wie man den Menschen jetzt am besten helfen kann. An dem Gespräch nahmen neben Ralf Müller Dekanin Dr. Dorette Seibert sowie einige Pfarrerinnen und Dekanatsmitarbeitende, ein Vertreter der Presse und der ehrenamtliche Dolmetscher, Pfarrer i.R. Georg Ander-Molnár, teil.
Seien es am ersten Tag noch Familien gewesen, die ankamen, so habe sich nach der Verschärfung des Kriegsrechts in der Ukraine die Lage für Familien verschlechtert, berichtete Ruscan, da die Männer im wehrfähigen Alter das Land nicht mehr verlassen dürfen. Jetzt kämen in erster Linie nur noch Frauen und Kinder, traumatisiert vom Krieg und in großer Sorge um ihre Männer. „Sie haben alles verloren und ihre Liebsten zurückgelassen. Dies ist ein sehr schmerzhafter Anblick“, so der Kirchenrat, der beschrieb, wie die Geistlichen in der Region mit der Kommune und den Ehrenamtlichen zusammenarbeiten, um die Lage für die Menschen erträglich zu machen und sie mit dem Nötigsten zu versorgen. Beim Grenzübertritt bekommen sie heißen Tee, etwas zu essen, wenn sie möchten, seelischen und geistlichen Zuspruch. Dann geht es weiter in die zentralen Unterkünfte. „Wir haben Listen mit Unterkunftsmöglichkeiten, mit Busfahren, mit Helfern.“ Diese, so eine der bitteren Erfahrungen, würden mit dem gezielten Streuen von Fake News demoviert, beklagte Ruscan. Beispielsweise hieße es, die Flüchtlinge seien alle sehr reich und hätten gar keine Hilfe nötig. „Wir wissen nicht, wer so etwas verbreitet, aber man muss sich die Menschen nur anschauen, die kommen. Sie haben alle Hilfe nötig.“ Grundsätzlich bräuchten die Menschen Nahrung und Hygieneartikel. „Alles andere ändert sich ständig, so dass wir nie genau sagen können, was benötigt wird.“ Geldspenden, von denen man das Benötigte kaufen könne, seien daher am sinnvollsten. Davon, alte Kleider zu spenden und in die Kriegsgebiete zu bringen, riet Ruscan gänzlich ab.
Es habe sich gezeigt, dass die Geflüchteten meist nur kurze Zeit im Grenzgebiet blieben: „Die meisten wollen weiter nach Westen.“ Neben der Versorgung der Kinder und Frauen sieht die Diözese daher ihre Hauptaufgabe darin, den Menschen den Weitertransport zu ermöglichen. „Sie haben Tage in der Kälte hinter sich, waren zu Fuß unterwegs oder in überfüllten Bussen. Frauen mit kleinen Kindern und viel Gepäck. Daher möchten wir ihnen eine gute Weiterreise in Bussen oder am besten per Flugzeug ermöglichen“, schilderte der Geistliche das Anliegen seiner Gemeinden. Eine Busfahrt, etwa nach Rom, koste pro Person 200 Euro, Flugtickets seien entsprechend teurer. Dort, wo sie ankommen, sehnten sie sich nach Sicherheit, aber auch nach Unabhängigkeit, wusste Ruscan. Daher sei es nötig, sie mit Arbeit und Bildung zu versorgen, ihnen aber auch Bargeld an die Hand zu geben. „Sie sollten keine Bittsteller sein, sondern frei entscheiden dürfen, was sie brauchen“; ergriff der Priester Partei für die Menschen aus der Ukraine, die seiner Meinung nach länger in ihren Zielländern bleiben werden. Angesprochen auf weitere Prognosen, gab Ruscan an: „Niemand kann etwas vorhersehen oder planen; für den weiteren Verlauf sind die Politiker am Zug. Wir leben und handeln von einem Tag zum anderen, ohne große Pläne: Wir tun heute, was nötig ist.“ So gehen Ruscan und seine Helfer auch mit der Angst um, die ein Leben im Grenzgebiet mit sich bringt. „Wir schauen nicht nach unserer Angst. Unsere Aufmerksamkeit gilt denjenigen, die jetzt Hilfe brauchen – egal, welchen ethnischen oder religiösen Hintergrund sie haben.“
Die Spenden, die nun vielleicht auch aus dem Vogelsberg in die Region um Sucara und Radautilor gehen, würden „äußerst transparent“ verwendet, versprach der Kirchenrat. „Wir möchten den Menschen damit in erster Linie einen anständigen, geschützten Weitertransport ermöglichen. Darüber können wir jederzeit Auskunft geben.“ Klar ist: Im Moment reißt der Flüchtlingsstrom auch in Rumänien noch nicht ab. Für alle, die weiterreisen, kommen täglich allein in dieses Land 7000 weitere Menschen. Sie alle benötigen Hilfe.
Wer mehr über die Ukraine-Hilfe des Evangelischen Dekanats erfahren möchte, kann dies unter www.vogelsberg-evangelisch/ukraine.de tun. Infos zu der Arbeit in Rumänien findet man unter fiideajutor.ro/jurnal. (Diese Seite ruft man am besten über Edge auf, da man dann gleich den digitalen Übersetzer aktivieren kann.)
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