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Mentoring-Programm

Die eigene Zukunft in die Hand nehmen

Rolf OeserMentorin Kristina Reitz und ihre Mentee B. machen mit beim Projekt „Rückenwind im Job“ der Diakonie.

Beim Mentoring-Programm „Rückenwind im Job“ des Diakonischen Werkes für Frankfurt und Offenbach treffen Frauen aus unterschiedlichen Lebenslagen und Kulturen zusammen. Nach fünf Jahren endet das erfolgreiche Projekt.

Auch Raj Kaur und Petra Schmeing bilden ein solches Tandem. Wenn Raj Kaur spricht, klingt es wie Poesie: „Ich kann zu Petra Schmeing mit ganz vielen Themen kommen, sie hat zu jeder Frage eine Antwort. Sie ist wie ein Wörterbuch, das ich aufschlage, wie ein sprechendes Wörterbuch.“ Mentee Raj Kaur, die in Wirklichkeit anders heißt, suchte Unterstützung bei dem Projekt, weil sie an ihrem Arbeitsplatz einen sehr schweren Stand hatte: „Als ich ‚Rückenwind im Job‘ fand, war es genau der richtige Zeitpunkt, um meine Zukunft in meine Hände zu nehmen.“

Fünf Jahre erfolgreiche Arbeit

„Rückenwind im Job“ startete die Diakonie in Frankfurt vor fünf Jahren. Gefördert durch die Lotterie Glücksspirale von LOTTO Hessen in Höhe von rund 273.500 Euro kamen insgesamt 70 Frauen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen zusammen. „Mentorinnen zu finden war kein Problem, wir nutzten die Ehrenamtsbörse des Bürgerinstituts“, sagt Projektkoordinatorin Astrid Konter. Sie bietet den Mentorinnen Schulungen, Netzwerktreffen und Supervision an – so erfolgreich, dass viele Mentorinnen ihre Fähigkeiten immer neuen Mentees zur Verfügung stellen.

Bereicherung für Meente und Mentorin

Konter brachte auch die in Indien geborene Raj Kaur und ihre Mentorin Petra Schmeing  zusammen. Die Personalentwicklerin und Resilienz-Trainerin, die schon von Berufs wegen Potentiale und Stärken fördert, unterstützte Kaur auf ihrem Weg. Als unerwartet die Kündigung kam, stand Kaur ihr nicht hilflos gegenüber: „Ich wollte mich nicht länger klein machen, daran geht man seelisch und körperlich kaputt.“ Schmeing spricht von der „Kraft, dem Willen und der Reflexionsfähigkeit“ ihrer Mentee. Kaur strahlt bei diesen Worten. Im Austausch mit Schmeing entwickelte sie die Idee, in die Bildungsarbeit mit Erwachsenen einzusteigen, gemeinsam sichteten sie Jobangebote, formulierten Bewerbungen. Fragen kann Kaur jederzeit per Messenger-Dienst stellen. Für Schmeing wiederum ist es „sehr berührend, Fragen gestellt zu bekommen und dass meine Antworten gefragt sind“.

Berufsvielfalt und Solidarität

Die Flugbegleiterin und die Bankerin, die Unternehmensberaterin und die Ingenieurin, aber auch die Musikwissenschaftlerin, die Finanzbuchhalterin und Journalistinnen sind unter den Mentorinnen. Von unter 30 bis 59 Jahre reicht die Altersspanne, erzählt Projektkoordinatorin Astrid Konter. In den Workshops von „Rückenwind im Job“ setzten sich die Mentorinnen beispielsweise damit auseinander, was es heißt, arm zu sein und als Alleinerziehende ohne gute Deutschkenntnisse Arbeit zu suchen. Die Mentorinnen lernten auch Wissenswertes zu interkultureller Kompetenz und rechtlichen Fragen. Von insgesamt 31 Mentorinnen sind 21 noch dabei, manche seit mehr als vier Jahren, sagt Konter. Sie nennt „Rückenwind im Job“ einen wichtigen Beitrag zur Solidarität. Unter den Mentees hat etwa die Hälfte keine deutschen Wurzeln.

Neue Erfahrungen sammeln

Kristina Reitz hat gerade ihre dritte Mentee bei „Rückenwind im Job“ begleitet. Und viel gelernt, zum Beispiel, sich beim Kaffee trinken in Geduld zu üben. Bei der 29 Jahre alten B. strömt er nämlich nicht auf Knopfdruck: „Dafür muss man Zeit haben“, sagt B., die ein besticktes Kopftuch trägt. „Wir rösten die grünen Bohnen. Die äthiopische Rundbauchkanne aus Ton wird mit einem Strohpinsel gereinigt, wir nehmen die besten Tassen und wir räuchern während des Kaffeetrinkens. Kaffee ist Kultur…“ Mit 22 Jahren kam B. aus Äthiopien nach Deutschland. Blieb nach der Trennung von ihrem gewalttätigen Mann als Alleinerziehende Zuhause, aber das Deutschlernen stockte, weil sie ohne Hortplatz keine Kurse besuchen konnte: „Ich hatte viele Probleme“, sagt B., „meine Freundin erzählte mir von ‚Rückenwind im Job‘“.

Menschen begegnen

Kristina Reitz unterstützte sie bei der Suche nach einem Hort für ihren Sohn. Inzwischen hat B. auch nicht mehr so viel Angst wie früher, wenn ein Brief kommt. Briefe vom Wohnungsamt, Jobcenter oder der Kindergeldstelle fotografiert sie und sendet sie an ihre Mentorin. „Ich muss das auch zwei Mal lesen“, sagt Reitz, die sehr erfahren in der Sozialen Arbeit ist. Als sie von „Rückenwind im Job“ hörte, wollte sie sich dort sofort engagieren. Im Mentoring-Programm traf sie andere Mentorinnen aus den unterschiedlichsten beruflichen Zusammenhängen, die sie sonst nie kennengelernt hätte. „In meinem Leben ist Vieles geregelt“, sagt die 57-Jährige, die inzwischen in den strategischen Bereich der Sozialverwaltung wechselte. Sie lernte von ihrer Mentee, was es heißt, als alleinerziehende Mutter den Alltag zu bewältigen: „Manches, was mir als selbstverständlich erscheint, ist es in Wirklichkeit gar nicht.“

Mutig Lebensträume verwirklichen 

Mentee B. lebte nach der Trennung von dem gewalttätigen Ehepartner eine Weile im Frauenhaus, inzwischen hat sie eine eigene Wohnung bezogen. Um herauszufinden, welchen Beruf sie erlernen möchte, machte sie Praktika im Krankenhaus und im Kindergarten. Jetzt hat sie einen Traum: Eine Ausbildung als Erzieherin. Dafür muss sie noch besser Deutsch lernen. „Manchmal ist mir etwas zu viel, und der Mut verlässt mich“, erzählt B., „dann sagt Frau Reitz zu mir: weitermachen.“ Kristina Reitz wiederum hat Respekt vor dem Mut ihrer Mentee und vor dem Spagat, den sie bewältigt: „Zwar hat jeder einen Anspruch auf einen Hortplatz, aber im Alltag sieht das ganz anders aus – die Mütter sind sich selbst überlassen, es sei denn, es gibt ein Projekt wie ‚Rückenwind im Job‘, das sie unterstützt.“

Finanzierung endet - Alternativen gesucht

Nach vier Durchgängen mit Mentorinnen und Mentees in fünf Jahren endet nun das Mentoring-Programm „Rückenwind im Job“ – die finanzielle Förderung war auf fünf Jahre begrenzt. „Mentoring hat sich bewährt und ist ein sehr spannendes Instrument, um die soziale Arbeit zu flankieren, allerdings ist das Thema Finanzierung ein Problematisches, hier gilt es, Alternativen zu finden“, sagt Robert Brendel, Arbeitsbereichsleiter Beschäftigung und Qualifizierung der Diakonie. „Schade, dass das Projekt ausläuft“, sagt Mentorin Kristina Reitz. Sie ist vom Mentoring überzeugt: Menschen zu begleiten, die nach Deutschland kamen und hier Fuß fassen wollen „ist ein Generationenauftrag – wäre jeder einmal Mentor oder Mentorin, wären wir schon viel weiter in der Integration“.

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