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Hessischer Flüchtlingsrat

Diskriminierung à la Carte

Peggy_Marco/pixabayHeftig krititsiert wird die Beschränkung des bar abhebbaren Betrages von 50 Euro pro Monat. Dies sei auch deshalb so dramatisch, weil gerade in den wirtschaftlichen Bereichen, die arme Menschen nutzen können wie Kleinanzeigen, Flohmärkte oder Tafeln, eine Kartenzahlung nicht möglich ist, so der Hessische Flüchtlingsrat.

Der Hessische Flüchtlingsrat (HFR) kritisiert die Einführung der Bezahlkarte für Asylsuchende in Hessen als Schikane ohne Nutzen. Damit erfülle sich insbesondere für Ministerpräsident Boris Rhein ein langgehegter Traum, dies diskriminierende Instrument endlich auch in Hessen nutzen zu können. Er sei als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) einer der Hauptinitiatoren der Einführung der Bezahlkarte gewesen, so die Stellungnahme des HFR.

Am 26. September 2024 teilte das Hessische Sozialministerium mit, dass nach Abschluss des Vergabeverfahrens für die Bezahlkarte für Asylsuchende diese zeitnah in Hessen eingeführt werde. Minister Boris Rhein erklärte im Zusammenhang mit der Entscheidung, dass die Bezahlkarte ein wichtiges Instrument zur Begrenzung illegaler Migration sei und das Unwesen der Schlepper bekämpfe sowie die Kommunen von Verwaltungsaufgaben entlaste.

Der Hessische Flüchtlingsrat krititisiert die Einführung der Bezahlkarte und die Begründung scharf:

Jede einzelne Behauptung des Ministerpräsidenten Boris Rhein ist unsinnig und steht in Widerspruch zu den Aussagen so gut wie aller ernstzunehmenden Migrationsforscher:innen. Die Wahl des Ziellandes hängt sicherlich nicht davon ab, ob ich da jetzt ein paar Euro mehr oder weniger in bar bekomme – entscheidend sind Fragen des Asylverfahrens, der Rechtsstaatlichkeit, der allgemeinen Perspektiven, sich ein neues Leben aufzubauen und natürlich der Community. Und Schlepper verlangen ihr Geld regelmäßig im Voraus – wollte man Schlepperei bekämpfen, sollte man sichere Fluchtwege schaffen.  

Mehraufwand für die Verwaltung

Auch von einer „Entlastung der Kommunen von Verwaltungsaufgaben“ kann wohl nur schwerlich gesprochen werden. Vielen derjenigen in den Kommunen, die die Einführung der Karte auch tatsächlich umsetzen müssen, graut heute schon vor dem zusätzlichen Aufwand. Erste Gerichtsentscheidungen  aus Bayern und Hamburg verpflichteten die Behörden, jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob ein das Barlimit von 50,- € ausreichend ist. 

Es liegt auf der Hand, dass hier ein erheblicher Mehraufwand für eine eh schon überlastete kommunale Verwaltung entsteht: statt einfach einmal pro Monat einen Geldbetrag auf ein Konto zu überweisen, müssen jetzt einzelne Restriktionen für die Karten programmiert werden, Ermessensentscheidungen über Ausnahmen vom Barlimit getroffen werden, Widersprüche bearbeitet werden. Dies alles nur, um ein paar Tausend Leute, die eh schon unter sehr prekären Bedingungen leben, noch etwas mehr zu schikanieren“, kommentierte Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates, die Einführung.

Umsetzung deutlich schärfer als im Koalitionsvertrag vereinbart

Die angekündigte Umsetzung der Bezahlkarte mit einer Limitierung des abhebbaren Barbetrages auf 50,- € geht sogar an Restriktionen noch deutlich über das hinaus, was im hessischen Koalitionsvertrag, den Flüchtlingsorganisationen schon scharf kritisiert hatten, vereinbart worden war. Dort heißt es auf Seite 72, dass „der Geldbetrag nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für den notwendigen persönlichen Bedarf an jedem Geldautomaten, z.B. der Sparkassen abgehoben werden kann.“ Der notwendige persönliche Bedarf, auch als „soziokulturelles Existenzminimum“ bezeichnet, beträgt 204,- € für einen alleinstehenden Erwachsenen.

„Hier hätten wir uns schon gewünscht, dass die SPD auf der Einhaltung von im Koalitionsvertrag vereinbarten Minimalstandards besteht und nicht dem Ministerpräsidenten in seinem flüchtlingspolitischen Furor eine Carte blanche ausstellt“, zeigte sich Scherenberg ernüchtert.

Die Beschränkung des bar abhebbaren Betrages auf 50,- € pro Monat ist v.a. deshalb so dramatisch, weil gerade in den wirtschaftlichen Bereichen, die arme Menschen nutzen können wie Kleinanzeigen, Flohmärkte oder Tafeln, eine Kartenzahlung nicht möglich ist. Auch kostengünstiges Einkaufen im Internet oder der Erwerb bestimmter herkunftslandspezifischer Nahrungsmittel sind so nicht möglich. Problematisch ist auch die Situation von Kindern und Jugendlichen, da es ja i.d.R. nur eine Karte pro Familie geben wird.

Zivilgesellschaft gefordert

Nach dem beispiellosen Rechtsruck in der Asylpolitik der letzten Monate, der insbesondere von den Unionsparteien befeuert wurde, die damit die Ampel vor sich hergetrieben haben, ist jetzt erneut die Zivilgesellschaft gefordert, sich der diskriminierenden Behördenpraxis entgegenzustellen.

„Was hat es in diesem Land nicht schon für Versuche gegeben, Asylsuchende sozialrechtlich zu auszugrenzen – Essenspakete, Wertgutscheine, Leistungen deutlich unter dem Existenzminimum. Es hat aber auch immer Menschen gegeben, die sich solidarisch mit den Betroffenen gezeigt haben und versucht haben, durch Initiativen und Umtauschbörsen der staatlich verordneten Diskriminierung etwas entgegenzusetzen und diese ein Stück weit zu unterlaufen. Dies wird sicherlich auch jetzt wieder geschehen“, kündigte Scherenberg zivilgesellschaftlichen Widerstand  gegen die diskriminierende Bezahlkarte an.

Zur Pressemitteilung des Hessischen Sozialministeriums

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