Debatte um Wort des Jahres 2015
Flüchtlinge oder Geflüchtete?
bbiew
28.07.2016
bbiew
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Während Pro Asyl von Flüchtlingen spricht, hat sich das Projektbüro des Deutschen Evangelischen Kirchentages bewusst für die Bezeichnung Geflüchtete entschieden. Begründung: „Die Endsilbe –ling hat eine negative Konnotation (= Nebenbedeutung, Anmerk.d.V.) und wir sind beim Kirchentag immer sehr bemüht, politisch korrekt zu sein“, erklärte eine Mitarbeiterin auf Anfrage des Evangelischen Dekanats Bergstraße.
Eine zumeist abwertende Endung
Flüchtlinge war 2015 das Wort des Jahres. Schon damals gab es erste kritische Stimmen, die von einer abwertenden Ausdrucksform sprachen. Falls alle Wörter mit dem Suffix –ling haben einen ähnlich negativen Beiklang wie Wörter mit der Endung –ant: der Querulant, der Asylant oder – in den Hochzeiten des RAF-Terrorismus – der Sympathisant (erweitert zum „Symphatisantensumpf“). Die Personen, die mit der Endung –ling bezeichnet werden, sind oft von höchst zweifelhaftem Charakter. Da gibt es den Feigling, den Sträfling, den Emporkömmling, den Eindringling, den Wüstling oder als Wortneubildungen den Primitivling, den Naivling . Oder es sind Menschen gemeint, die abschätzig, „von oben herab“, betrachtet werden wie der Winzling, der Neuling, der Lehrling oder – was Journalisten ab und an zu hören bekommen - der Schreiberling. Nur sehr wenige Wörter mit –ling haben keine negative Bedeutung wie z.B. der Frühling, der Schmetterling und – insbesondere an der Bergstraße nicht zu vergessen – der Riesling.
Flüchtlinge sind sprachlich männlich
Hinzu kommt, dass es im Deutschen die „Flüchtlingin“ nicht gibt. Alle Wörter mit dem Suffix –ling sind maskulin. Auch der Flüchtling kommt sprachlich ausschließlich männlich daher. Dagegen gibt es die Geflüchtete ebenso wie den Geflüchteten bzw. die Fliehende oder den Fliehenden. Eine negative Konnotation haben auch die Wortbildungen „Flüchtlingswelle“ oder „Flüchtlingsflut“, weil sie nahelegen, dass wir gegen eine Welle, eine Flut, Dämme bauen müssen, damit wir nicht untergehen. Ein solch negativer Beiklang könnte mit „Geflüchteten“ eher nicht hervorgerufen werden. „Geflüchtetenflut“ klingt dafür doch etwas abwegig.
Flüchtlinge oder Geflüchtete – was sich durchsetzt (oder ob beide Varianten nebeneinander existieren), wird nicht von der Gesellschaft für deutsche Sprache oder einem Expertengremium entschieden, sondern von uns allen. Die Debatte ist eröffnet.
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