Kirchengemeinden helfen Flüchtlingen auf vielfältige Weise
Gärtnern, trommeln, büffeln
Gränzdörffer
26.07.2016
mww
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Kassel/Wolfhagen (epd). "Ich muss gerade noch mal zwei Gießkannen Wasser holen", sagt Marion Reif-Kaiser und geht über eine Wiese zu einem etwa 50 Meter entfernten Bach, der durch den Stadtpark von Wolfhagen fließt. Am Rande dieses Idylls im Herzen der nordhessischen Kleinstadt befindet sich eine Gartenkolonie, hier wächst Obst und Gemüse. Auch der Kirchgarten, der der evangelischen Kirchengemeinde gehört und für dessen Bewässerung Reif-Kaiser das Wasser holt, hat hier seinen Platz. Und in ihm 15 Flüchtlingsfamilien, die ihn mit tatkräftiger Hilfe aus dem ökumenischen Arbeitskreis Flüchtlingshilfe bewirtschaften.
"Die Idee ist uns gekommen, als der bisherige Pächter seinen Pachtvertrag gekündigt hat", sagt Andrea Appel, eine von vier Initiatorinnen des Projektes. Nachdem der Kirchenvorstand dem Vorhaben zugestimmt hatte, machten sich die Frauen auf die Suche nach Interessenten. "Wir haben die Flüchtlinge persönlich angesprochen", sagt Maike Gränzdörffer. Zusätzlich habe man noch den Emstaler Verein, der psychisch kranke Menschen unterstützt, mit ins Boot geholt. "Jeder konnte sich die Größe seiner Parzelle selbst aussuchen", sagt sie.
Einige wählten erst einmal ein kleines Stück, andere stiegen gleich etwas größer ein. Besonders ins Auge fällt die Parzelle einer iranischen Familie. "Die hatten im Iran einen Weinberg", sagt Gränzdörffer. Da sie Christen waren, seien sie geflohen, um ihren Glauben frei leben zu können. Vor zwei Jahren seien sie in Wolfhagen getauft worden. Nun pflanzen sie hier Kartoffeln, akkurat in einer Holzgitterkonstruktion angebracht und schön anzusehen.
"Besonders beliebt sind die Feste, die wir hier einmal im Monat am Samstag feiern", sagt Appel. Ansonsten ist immer jemand vom Team am Mittwochnachmittag im Garten und steht mit Rat und Tat zur Seite. "Es ist immer schön zu sehen, was sich im Garten jede Woche so verändert", sagt sie. Um Werkzeuge, Tische, Stühle und anderes Material zu kaufen, beantragte der Arbeitskreis Mittel aus einem extra von der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck eingerichteten, eine Million Euro umfassenden Fonds für Flüchtlingsarbeit. 4.500 Euro bekamen sie, 500 steuerte der Arbeitskreis selbst bei.
Ganz andere Wege mit Flüchtlingen geht die Gemeinde der Neuen Brüderkirche in Kassel. "Wir werden demnächst einen Flüchtling einstellen, der bei uns seinen Bundesfreiwilligendienst macht", sagt Pfarrer Stefan Nadolny. Auch hier beteiligt sich der Fonds mit 3.000 Euro an den Kosten. Weitere, ebenfalls geförderte Projekte sind ein internationaler Treffpunkt, ein Gitarrenkurs, ein Trommelkurs sowie Sprachkurse.
Sprachkurse gibt es auch im "Cafe der Begegnung" der Evangelischen Kirchengemeinde in Fuldatal-Ihringshausen vor den Toren Kassels. Eine Zuschuss von 1.000 Euro habe man aus dem Fonds schon bekommen, sagte Steffi Ross-Stabernack, Kirchenvorstandsmitglied und Vorsitzende des Diakonieausschusses. Weitere Mittel zur Anschaffung von zwei Laptops seien beantragt. Zum Café, das jeden Montag von 16 bis 18.30 Uhr geöffnet hat, kommen jeweils rund 20 Flüchtlinge, um miteinander zu reden oder zu helfen.
"Die Hauptprobleme sind Krankheiten und Wohnungssuche", sagt Ross-Stabernack. Während bei den medizinischen Problemen meist schnell eine Lösung gefunden werden kann, ist es bei der Wohnungssuche schwieriger. "Vermieter zucken dann doch oft zurück, wenn sie an Flüchtlinge vermieten sollen", sagt sie. In einigen Fällen sei eine Wohnungsvermittlung aber schon gelungen. "Man muss die Leute persönlich ansprechen", weiß sie. Überhaupt habe das im Februar eröffnete Café im Gemeindehaus zur Entspannung im Ort beigetragen, berichtet Ross-Stabernack. Jeder könne hierherkommen und sich selbst ein Bild von der Situation der Flüchtlinge machen.
Eine eigene Wohnung hat mittlerweile Kuwa H., der vor einem Jahr aus Syrien nach Deutschland floh und schon ein erstaunlich gutes Deutsch spricht. Obwohl der 21-jährige Kurde im angrenzenden Kassel wohnt, reist er jeden Montag mit dem Fahrrad zu diesem Treffen an. "Hier kommt man gut mit anderen Menschen in Kontakt", sagt er. Momentan büffelt Kuwa jeden Tag sechs bis acht Stunden Deutsch, denn in wenigen Monaten kann er eine Ausbildung als Mechatroniker anfangen.
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