"Die meinen das ernst!" - viele Flüchtlinge engagieren sich in Kirchengemeinden
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19.05.2016
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Von Christian Prüfer (epd)
Hanau/Fulda (epd). "Die meinen das sehr ernst mit dem Glauben", sagt Pfarrer Wolfgang Bromme von der Lutherkirche in Hanau-Wolfgang. Gemeint sind zehn Flüchtlinge aus dem Iran und Afghanistan, die in der Kirche zu Ostern getauft wurden. Zuvor hatten sie einen Glaubenskurs besucht, wie er mittlerweile in mehreren Gemeinden der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck angeboten wird.
Viele der Getauften kämen nun regelmäßig zum Gottesdienst, dort lade er sie zu Schriftlesungen in ihren Muttersprachen Farsi oder Arabisch ein. Einer engagiere sich zudem im Treffpunkt "Café Oase", an dem jeden Mittwoch 50 Flüchtlinge und Einheimische zusammenkämen. In ihrer Heimat, so hat Bromme in Gesprächen herausgehört, hätten diese Menschen eine sehr autoritäre Variante des Islam erlebt, der sie in ihrem Wunsch nach einer Konversion bestärkt habe.
Groß ist vor allem auch die Hilfsbereitschaft der jetzt Getauften sowie weiterer sechs Teilnehmer, die an einem neuen Glaubenskurs teilnehmen. Einige haben bei der Renovierung der Kirche ihre Hilfe angeboten, doch Bromme kann sie hier nur für kleinere Arbeiten einsetzen. "Bei einem ausgeschriebenen Bauvorhaben kann ich die ja nicht einfach mitmauern lassen", schildert er das Dilemma. Viele Flüchtlinge haben einen Beruf, den sie hier aber zunächst nicht ausüben können. Hinzu kommt, dass ihre Verweildauer in der Erstaufnahmeeinrichtung, aus der sie stammen, begrenzt ist. "Ich versuche auch nach einem Wegzug in Kontakt zu bleiben und sie in die Gemeinden an ihrem neuen Aufenthaltsorten zu vermitteln", sagt Bromme.
Auch Marvin Lange, Pfarrer der Bonhoeffer-Gemeinde in Fulda, ist von dem großen Engagement der Flüchtlinge angetan. Ob es um Hilfe beim Austragen des Gemeindebriefes geht oder um kleinere Arbeiten im Garten: immer biete jemand Hilfe an. "Der steht praktisch Gewehr bei Fuß", freut sich Lange über einen besonders engagierten Iraner, der sich auch in Computerfragen auskennt. Auch in den Gottesdienst kämen die neuen Christen gerne, wenn auch manchmal zehn Minuten zu spät. "Neulich hat ein Iraner sogar unseren kompletten Gospelchor bekocht", schildert Lange ein weiteres Highlight des neuen Gemeindelebens. "Bei den 40 Mitgliedern des Chores ist der ganz schön ins Schwitzen gekommen", erzählt Lange.
Zu dem derzeit laufenden Glaubenskurs kommen zwischen 13 und 20 Iraner. Teilweise seien das noch Moslems, die nichts vom Christentum wüssten, teilweise seien sie aber schon gut informiert und fest entschlossen, sich taufen lassen, berichtet Lange. Im Kurs arbeite er mit Hilfe eines Dolmetschers, da die meisten Iraner noch kein Deutsch könnten. Nachdem im vergangenen Jahr ein von der Gemeinde angebotener Sprachkurs mangels Teilnehmer gescheitert sei, gebe es nun aber auf einmal ein starkes Interesse daran. "Da hat sich eine große Dynamik entwickelt", sagt der Pfarrer.
Auch Christina Schnepel, Beauftragte für Flucht und Migration der kurhessischen Kirche, weiß von verschiedenen Gemeinden, in denen sich getaufte Flüchtlinge engagieren. Unter anderem stellten sie sich gern als Übersetzer zur Verfügung. Generell gebe es in den Kirchengemeinden momentan einen Wechsel von der Nothilfe zu einem längerfristigen Engagement. So seien vermehrt Patenschaften entstanden, die Flüchtlinge bei der Suche nach einer Wohnung und nach einem Arbeitsplatz unterstützten. "Das wird die Kirchengemeinden verändern", prophezeit Schnepel. "Die Gemeinden müssen verstehen, wie vielfältig unsere Gesellschaft wird und ist." Der Gedanke der Inklusion sei nicht nur ein Thema bei Menschen mit Handicap, sondern nun auch beim Thema Flüchtlinge aktuell.
Da nicht nur in Kurhessen-Waldeck, sondern auch bundesweit immer mehr Flüchtlinge nach Glaubenskursen fragen, sei man gerade dabei, einen speziellen Glaubenskurs für diese Gruppe zu entwickeln, berichtet Joachim Bundschuh vom Zentrum Ökumene der beiden hessischen Landeskirchen in Frankfurt. Beteiligt seien die pfälzische, die badische, die rheinische sowie die württembergische Landeskirche. Wenn alles klappt, soll der Kurs, den es auch in persischer und arabischer Sprache geben werde, im Laufe des Sommers vorliegen. Wichtig sei vor allem, die Menschen nach einer Taufe in irgendeiner Form in die Gemeinde zu integrieren, betont Bundschuh. (13.5.16)
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