Gemeinschaftsunterkunft
Leben im Afrikahaus
Hans Genthe ( ekhnEriträer und Äthiopier werden im "Afrikahaus" in Bürstadt durch das Diakonische Werk betreut21.10.2018 hag Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Für Ali ist heute ein ganz großer Tag. Denn ab sofort genießt der 21-jährige Eriträer subsidiären Schutz und darf vorläufig in Deutschland bleiben, solange ihm in seiner Heimat Gefahr droht. Zusammen mit den anderen jungen Männern aus Eritrea sitzt er vor dem alten Fernseher in der Flüchtlingsunterkunft, die das Diakonische Werk Groß-Gerau betreut. „Das ist jetzt ganz ganz großes Kino“, sagt Jenna Reibold, seine Betreuerin von der Diakonie.
Teure Flucht und Soge um Anerkennung als Geflüchteter
Weil er in Italien als Flüchtling registriert wurde, hätte Ali nach dem Dublin-Abkommen innerhalb von sechs Monaten wieder ins Einreiseland zurückgebracht werden müssen. Nun ist er nach mehr als einem Jahr „durchgerutscht“, wie Jenna Reibold, sagt. Im Unterschied zu den anderen konnte Ali als nicht anerkannter Flüchtling auch nicht Deutsch lernen. Aber am Montag geht auch für ihn die Schule los.
Alis Familie hat rund 5.000 Euro zusammengelegt, damit der junge Schneider mit einem Schlepperboot übers Mittelmeer fahren konnte. Jetzt will er Deutsch lernen und am liebsten Automechaniker wie Gabriel werden. Der ist schon vor zwei Jahren für 3.500 Euro mit dem Boot übers Mittelmeer gekommen. In die Freude über Alis heutige Anerkennung mischen sich Jonathans Sorgen. Wie Ali genießt der 35-Jährige subsidiären Schutz, darf aber als nicht anerkannter Flüchtling seine Ehefrau nicht nachholen. Die war zunächst von Eritrea nach Beirut geflüchtet und versucht jetzt in Äthiopien Schutz zu finden.
Gemeinsames Leben auf engstem Raum
13 Männer leben in der Bürstädter Unterkunft auf einer Etage, immer drei in einem Zimmer. Für alle zusammen gibt es nur eine Dusche, eine Toilette und eine zu kleine Küche. Das ehemalige Bürogebäude im Industriegebiet lässt keinerlei Behaglichkeit aufkommen. Als Aufenthaltsraum dient der Flur, unten kalte Fliesen, oben die typischen Deckenelemente für Büros mit eingebauten Leuchtstoffröhren. In den anderen Etagen leben Familien und alleinerziehende Frauen mit ihren Kindern, insgesamt 35 Erwachsene und 15 Kinder.
Hier leben überwiegend Menschen aus Eritrea und Äthiopien. „Das ist auch so gedacht, damit das kulturell zusammenpasst“, sagt Jenna Reibold. Trotz des schlechten baulichen Zustands sei die Atmosphäre gut. Die haupt- und ehrenamtlichen Helfern brächten diese Herzlichkeit mit ins Haus. „Egal wen Sie hier fragen, wird jeder sagen: ich habe hier eine Familie.“ Sie als Frau habe überhaupt keine Bedenken hier alleine in die Betreuung zu kommen.
Jobs haben die Männer nicht, aber das Diakonische Werk organisiert immer wieder Aktionen wie eine Schwimmbadreinigung oder Volleyballturniere mit Deutschen. Einige der Kinder finden deutsche Freunde im Paddelverein. „Hier sind alle gut Freund“, sagt Jenna Reibold. „Wir haben viel dafür getan, dass es so ist.“ Das Industriegebiet sei nicht gut für die Integration, aber es gäbe eben auch weniger Reibungspunkte. Insgesamt sieht sie „keine Probleme mit den Deutschen“.
Riesiges Arbeitsfeld für das Diakonische Werk
Das Diakonische Werk Groß-Gerau betreibt in fünf südhessischen Kommunen Unterkünfte, in denen zwischen 15 und 130 Personen leben. Dazu kommen angemietete Wohnungen. Insgesamt betreut Reibold mit ihren haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden 1500 Geflüchtete. Außerdem ist sie zuständig für die beiden Tafeln in Riedstadt und Groß-Gerau sowie für das Betreuungszentrum in Groß-Gerau. Einige Flüchtlinge haben auf dem angespannten Wohnungsmarkt schon eigene Wohnungen gefunden.
[Pfarrer Hans Genthe]
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