Sprache und Würde beim Empfang zum neuen Kirchenjahr
Menschenrecht für Wörter
bbiew04.12.2017 bbiew Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Heidrun Kämper, die am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim den Arbeitsbereich ‚Sprachliche Umbrüche des 20. Jahrhunderts' leitet, setzte sich mit dem Menschenbild und der Sprache des Rechtspopulismus am Beispiel der AfD auseinander. Das Parteiprogramm und die Aussagen führender AfD-Politiker zeigten, dass die Partei die Herkunft des Menschen zum Bewertungskriterium mache. Das Fremde werde abgewertet, das Eigene überhöht. Das widerspreche der allgemeinen Erklärung der Menschrechte („Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten“) und nach jüdisch-christlicher Auffassung der Gottebenbildlichkeit des Menschen.
Würde des Menschen - Würde des Wortes
Der Gleichheitsgrundsatz sei auch für das Grundgesetz von zentraler Bedeutung. Sein erster Artikel „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ lege eine Haltung fest, die Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus tabuisiere. „Diese Tabuisierung ist gesellschaftlicher Konsens. Diesen Konsens kündigt das AfD-Programm auf“, betonte Kämper. Die AfD bediene sich einer diskriminierenden, ausgrenzenden Sprache, die stets auch die Bereitschaft zur physischen Gewalt erkennen lasse. Demgegenüber plädierte die Festrednerin für eine Sprache, die die Würde des Menschen achte und schütze. „Politisch korrekte Sprache ist das Menschrecht für Wörter“, sagte Kämper vor mehr als 220 geladenen Gästen aus Kirche, Politik und Gesellschaft im „Halben Mond“ in Heppenheim.
"Alles wirkliche Leben ist Begegnung"
Zum Abschluss zitierte sie den jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber, der von 1916 bis 1938 in Heppenheim lebte. „Der Mensch wird am Du zum Ich. Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Würde der Sprache ist laut Kämper dann gegeben, wenn im Buberschen Sinne Begegnung stattfinde, ein Ich einem Du gemeinschaftlich begegne und man sich im Reden aufeinander beziehe. „Entwürdigung der Sprache ist dann gegeben, wenn nicht mit, sondern abwertend über den Anderen, den Fremden, geredet wird“, sagte Kämper unter lautstarkem Beifall der Gäste.
"Wir bekommen es umsonst"
Die Starkenburger Pröpstin Karin Held überbrachte Grüße der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und legte die Jahreslosung für 2018 aus: „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ (Offenbarung 21,6) Das sei eine Verheißung. Es gehe um eine Sehnsucht, wie sie in der Strophe des Kirchenliedes „Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück, nach Liebe, wie nur du sie gibst“ zum Ausdruck komme. Die Sehnsucht, die nach dem Wort des Philosophen Ernst Bloch, „die einzige ehrliche Eigenschaft des Menschen ist“, sei Lebenshunger und Lebensdurst. „Und wir bekommen es umsonst – allein durch Gnade“ betonte die Pröpstin.
"Gemeinsam für Gottes Laden arbeiten"
In seinem Grußwort sagte der katholische Dekan Thomas Meuter, dass die evangelische Kirche nach dem 500. Reformationsjubiläum wieder zurück sei „in den Niederungen des Alltags“. Diese Erfahrung kenne er. Wenn es einem bei den alltäglichen Herausforderungen und Problemen zu viel werde, halte er sich an den Ratschlag einer Äbtissin, die mit den Worten bete: „Herr, das ist dein Laden hier.“ Meurer plädierte dafür, „gemeinsam für Gottes Laden zu arbeiten“ und den Menschen zu sagen und zu zeigen, dass sie von Gott gesegnet seien.
Kreis und Kirche als Partner
Der Bergsträßer Landrat Christian Engelhardt sprach sich in seinem Grußwort dafür aus, dass sich Kreis und Kirche partnerschaftlich für die Menschen einsetzen. Mit Blick auf die Entwicklungsstrategie „Vision Bergstraße“, die der Landkreis initiiert hat, betonte Engelhardt, dass die Bürger gefragt werden müssten, was ihnen wichtig sei. Für ihn sei die entscheidende Frage: „Wie können wir die Zukunft gemeinsam so gestalten, dass es den Wünschen und der Würde des Menschen entspricht?“
Neues Kirchenjahr wird auch musikalisch eingeläutet
Der Bergsträßer Präses Dr. Michael Wörner hob bei der Begrüßung hervor, dass die Eingliederung der zehn südlichen Kirchengemeinden im Dekanat Ried „so reibungslos wie möglich gestaltet werden soll“. Mit Beginn des Jahre 2019 wird das Dekanat Ried aufgelöst. Der südliche Teil kommt zum Dekanat Bergstraße, der nördliche zum Dekanat Groß Gerau-Rüsselsheim.
Musikalisch gestaltet wurde der Empfang vom Oratorienchor Rimbacher Singkreis unter Leitung von Dekanatskantorin Han Kyoung Park-Oelert sowie vom Posaunenchor Schlierbach, der von Tanja Rettig dirigiert wurde. Im Anschluss lud der Vorsitzende der Dekanatsstiftung Dr. Reinhart Baehr wieder zum gemeinsamen Essen ein.
Die vollständige Rede von Prof. Dr. Heidrun Kämper finden Sie im Wortlaut hier
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