Sorge um Krminialisierung der Flüchtlingshilfe
Von Hessen zurück nach Sizilien
bbiewGraffiti an einer Hauswand in Palermo. Die Zustimmung für Innenminster Salvini steigt. Er profitiert von seiner rigiden und restriktiven Flüchtlingspolitik.16.07.2019 bbiew Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
bbiewAnna Schwabe (l.) mit der Ordensschwester Maria Theresa, die acht Jahre in Kamerun tätig war und jetzt in Palermo Flüchtlinge unterstützt.Während der Begegnungsreise im Oktober hatten die italienischen Gesprächspartner immer wieder vor der Kriminalisierung der Flüchtlingsarbeit gewarnt. Genau das sei jetzt eingetreten, berichtet Anna Schwabe. „Der italienische Innenminister Salvini tut alles, um die Lage für Geflüchtete und Unterstützer/innen zu verschlechtern. Durch das neue Sicherheitsdekret gibt es jetzt hohe Geldstrafen für zivile Rettungsschiffe und gegen die verantwortlichen der Seenotrettung wird ermittelt und sie werden verhaftet.“ So auch im Fall von Carola Rackete, der Kapitänin der Sea-Watch 3.
Demonstrationen für Sea-Watch
In Palermo und Catania waren nach Angaben von borderline-europe Demonstranten mehrere Nächte hintereinander für die Sea-Watch 3 auf die Straße gegangen. Ihre Forderung: den Hafen von Lampedusa für das Rettungsschiff zu öffnen. Nach Anlandung des Schiffes habe es in Palermo einen großen Demonstrationszug gegeben, um gegen die Festnahme von Rackete zu protestieren. An dieser Demonstration habe auch Leoluca Orlando teilgenommen. Der Bürgermeister Palermos hatte sich bereits auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund für die Seenotrettung stark gemacht.
Zurück nach Libyen ist keine Option
Die fehlende Bereitschaft der Seenotrettungsschiffe, Häfen anderer Länder anlaufen zu lassen, wie sie der Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Rom Michael Jonas kritisierte (Evangelische Sonntags-Zeitung, Nr.28, 14. Juli) hält Anna Schwabe für einen schlechten Witz. Die Sea-Watch 3 habe in nicht nur in Malta, sondern unter anderem auch in Frankreich angefragt. Vergeblich! Die Flüchtlinge nach Libyen zurückfahren, wie es Salvini fordere, sei keine Option. Dort hätten sie vor ihrer Überfahrt schon die Hölle auf Erden erlebt. Der größte Skandal sei, dass mit Blick auf Libyen Salvini und die EU an einem Strang zögen. Die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache werde von der EU unterstützt und gefördert. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) hat jetzt eine Kurskorrektur der europäischen Flüchtlingspolitik angemahnt und gefordert, Migranten, die auf dem Mittelmeer gerettet werden, nicht mehr nach Libyen zurückzubringen.
Schließung von Aufnahmezentren
Die Kriminalisierung der Seenotrettung sei längst nicht alles, was die Situation für Geflüchtete und ihre Unterstützer verschärft habe, betont Anna Schwabe. „Im Juli ist das größte Aufnahmezentrum CARA di MINEO geschlossen worden. Dadurch werden die Betroffenen obdachlos oder gelangten in überfüllte und unzumutbare Behausungen. Die meisten wählen die Obdachlosigkeit, was ja schon vieles über die Alternativen der anderen Aufnahmezentren aussagt. Kriminelle Organisationen wie die nigerianische Mafia, die Frauen und Mädchen in die Prostitution zwingt, nutzen diese Hilflosigkeit der Menschen gezielt aus.“
Italien reagiert mit Abschottung
Den Organisationen, die Geflüchtete aufnehmen, werde das Geld gestrichen. Mitarbeitende müssten entlassen werden. Es gehe offenbar nur darum, so viele Migrant/innen wie möglich wieder loszuwerden bzw. sie gar nicht erst ins Land reinzulassen. „Richtig ist aber auch, dass sich Italien von der EU allein gelassen fühlt. Über Jahre hat es keine europäische Solidarität mit dem Land gegeben, das neben Griechenland die Hauptlast der Fluchtbewegungen zu tragen hatte. Jetzt reagiert Italien mit Abschottung. Man hat hier das Gefühl, Italien möchte in einer Kuppel leben und der Rest der Welt soll es in Ruhe lassen: die Rede ist von einer Seeblockade, geschlossenen Häfen und Flughäfen für Flüchtlinge, die nach der Dublin-Vereinbarung in Italien zuerst den Boden der EU betreten haben. Selbst die Errichtung einer ‚physischen Barriere‘ nach Slowenien ist im Gespräch“, so das ernüchternde Fazit von Anna Schwabe.
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