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Landlust

Sehnsucht nach Natur und Selbstbestimmung

Rolf Handke/pixelio

Das Landleben scheint die neue Leidenschaft der Städter zu sein. Doch können Spiele, Deko-Träume und Stippvisiten im Bio-Hof die Sehnsucht nach Natur erfüllen?

Jutta Rotter/pixelio

Sehnsucht nach dem Paradies

Die Illustrierte Landlust, die alle zwei Monate erscheint, zählt mit fast einer Millionen Auflagen zu den meistverkauften Publikumszeitschriften Deutschlands. Selbst im Fernsehen informiert Landlust TV über Garten- und Dekotipps sowie Nutztierhaltung. Auch im Internet scheint die Sehnsucht nach Natur Blüten zu treiben - und Alltägliches wird zum berichtenswertes Ereignis. So schreibt eine Userin des Garten-Blogs www.mainzauber.de: „Ab und zu stehe ich vor den Rhododendren mit ihren Knospen oder an der Magnolie, die glücklicherweise nun auch wieder viele Knospen hat, und stell mir vor, wie schön das im nächsten Frühling blühen wird. Verrückt – oder?“

Landflucht – Städte und Speckgürtel ziehen die Menschen an

Zeigt sich diese Begeisterung für die Natur dann auch darin, dass immer mehr Menschen die Städte verlassen, um ein erfülltes Leben auf dem Land zu führen? Die Statistik widerspricht dem zunächst: Es ziehen weiterhin mehr Menschen nach Frankfurt, Mainz, Darmstadt und Wiesbaden zu als fort. In ländlich geprägten Regionen wie dem Vogelsberg- oder Lahn-Dill-Kreis sieht es allerdings umgekehrt aus – hier ist die Anzahl der Menschen höher, die diesen Regionen den Rücken kehren. Doch die Landkreise rund um die Städte scheinen der Sehnsucht nach dem Landleben und dem Bedürfnis nach einen Arbeitsplatz entgegenzukommen - so verzeichnen der Hochtaunuskreis und die Bergstraße Zuwächse.

Verborgene Sehnsüchte nach Natur

Doch was steckt hinter dieser Entwicklung? „Magazine wie Landlust sprechen verborgene Sehnsüchte an“, sagt Maren Heincke, Referentin für den ländlichen Raum im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN. Die Agraringenieurin erklärt, dass dies eine Folge der Dauerkrise sei: „Seit der Weltwirtschaftskrise bemerken wir einen Rückzug ins Private.“ Gerade das Wirtschafts- und Berufsleben lasse bei manchen Menschen das Gefühl aufkommen, dass sie mit dem Tempo nicht mehr mithalten können. Die stimmungsvollen Bilder der Illustrierten zeigten hingegen Szenen ohne Überlebenskampf, Leid und Kummer. 

Das Paradies als Sehnsuchtsort

Die Sehnsucht nach dem Paradies kennen die Menschen allerdings seit Jahrtausenden, was die biblische Erzählung vom Garten Eden zeigt. Auch hier haben die Verfasser der Bibel ihre Vorstellung eines Lebens im Einklang mit der Natur, mit Gott und dem Liebespartner anschaulich beschrieben. Wie verletzbar diese Vorstellung sein kann, zeigt der Sündenfall. Hier wurden die Menschen im Paradies dazu verführt, wie Gott sein zu wollen. Zerbrochene Beziehungen, Gewalt, Unterdrückung - aber auch das Ringen um Versöhnung nehmen ihren Lauf.

Ein Garten ist ein Ort der Selbstbestimmung

Inmitten von globalen und persönlichen Krisen kann der eigene Garten oder bepflanzte Balkon allerdings mehr als ein Fluchtpunkt sein. „Der Garten ist der Ort der selbstbestimmten Arbeit. Also der Arbeit, die den Menschen zum Menschen macht. Damit ist der Garten ein politischer Ort“, schreibt Jakob Augstein im Mai 2012 in der Zeit. Die kirchliche Agrarexpertin Heincke bestätigt: „Die Menschen haben Freude daran, eigenwirksam zu werden.“ Darauf deutet auch die biblische Erzählung hin - denn danach ist das Paradies keine Wildnis, sondern der Mensch hat den Auftrag, etwas zu bewirken, den Garten Eden zu pflegen und zu bebauen. Heincke erklärt, dass der Garten Entspannung und körperliche Arbeit in einem überschaubaren, fast therapeutischen Rahmen biete - statt der abstrahierte Arbeit im Berufsleben. Der eigene Garten sei für viele Berufstätige ein „Anti-Bild zum stressigen und entfremdeten Arbeitsplatz“.

Permakultur als nachhaltige Methode, den Garten oder Balkon zu bepflanzen

Nachhaltig gärtnern aus Respekt vor unseren Mitgeschöpfen - ob im eigenen Garten oder bei Urban-Gardening-Projekten in den Metropolen

Wie eng Selbstbestimmung und gärtnerische Arbeit miteinander verknüpft sein können, zeigt die nachhaltig ausgerichtete „Permakultur“. Bei dieser Methode sollen die Kreisläufe von Nährstoffen und Wasser permanent – also zeitlich unbegrenzt - funktionieren. Dabei ist das Ziel, einen möglichst hohen Grad an Selbstversorgung zu erreichen, um so unabhängig wie möglich von Produkten der Agrarindustrie leben zu können. Der europäische Permakultur-Pionier Sepp Holzer bringt das Konzept auf den Punkt: „Ich arbeite mit dem Schöpfer.“ Oder anders ausgedrückt: Er will mit der Natur arbeiten und nicht gegen sie. Dieses Prinzip lässt sich auf dem winzigsten, bepflanzten Stadt-Balkon, dem eigenen Garten, aber auch in einer mehreren Hektar großen Landwirtschaft anwenden. Anschauliches Beispiel für diese Methode, die in den 1970er Jahren die Australier Dr. Bill Mollison und David Holmgren entwickelten, ist der so genannte „Waldgarten“. Durch die geschickt angelegten, unterschiedlich hohen Bäume und Sträucher können Nüsse, Äpfel, Birnen, Kirschen, Kiwis und Beeren geerntet werden. Aber auch Erbsen und Wurzeln wachsen in bodennahen Schichten, bzw. unterirdisch. Selbst der Fleischesser soll hier auf seine Kosten kommen, da Schweine sich in einem solchen Wald zeitweise vom Fallobst ernähren können. Dieses Konzept erinnert fast an biblische Zeiten, wie der Verfasser in Mose 2,9 über den Garten Eden schreibt:

"Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen."

Gärtnern macht glücklich

Permakultur – eine Methode, die das Leben im Einklang mit der Natur eröffnet? Methoden sind wie Werkzeuge – man kann sie sinnvoll gebrauchen oder auch nicht. Entscheidend ist, was jemand empfindet, wenn er im Garten, Stall oder auf der Wiese unterwegs ist – dies wird der tiefe Grund für sein Handeln sein. Ulf Häbel, Pfarrer im Ruhestand und Hobby-Landwirt sagt: „Wenn ich rauskomme, habe ich das Gefühl, ich gehöre hier in eine Lebenswelt, die gut ist. Und ich spüre das über körperliche Bewegung.“ Er wisse, dass er ein Teil der Schöpfung sei – und deshalb gehöre er zu einem großen Ganzen.

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